Zölle: Warum ein Nullsummenspiel?

Heading for a fall? Photo: Austin Hervias sur Unsplash
Heading for a fall? Photo by Austin Hervias on Unsplash

Blog, 14/03/2025, von Sven Franck (en français, in english)

TL;DR - Nach viel Getöse haben die USA ernst gemacht und 25% Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium aus Europa verhängt. Die Europäische Kommission hat die Geste unmittelbar erwidert und Einfuhrzölle in gleicher Höhe für den 1. April angekündigt. Kein Scherz. Die Frage bleibt, was ist Europas “end game”? Haben wir keine smarten außenpolitischen Antworten, die auch Europas Resilienz und Unabhängigkeit stärken? Weil “Auge um Auge” heißt nicht, dass Europa sich ein Auge ausstechen muss, nur weil Amerika es vormacht.

Skalpell bitte, statt plumper Einfuhrzölle

Wenn wir schon beim Thema “Selbstverstümmelung” sind, letzte Woche haben die USA zudem angekündigt, den Support für F-16 Kampfflugzeuge, die andere Länder an die Ukraine geliefert haben, einzustellen. Kein Spaß. Das bedeutet, dass Waffensysteme aus den USA “gebricked” werden können: genauso wie eine Playstation ohne Zugang zu Sonys Online Service nutzlos ist, haben Waffensysteme “Made in USA” nun das zusätzliche Label “auf Knopfdruck nutzlos.” Viele EU-Mitgliedsstaaten haben ausstehende Bestellungen für F-35 Jagdflugzeuge. Die EU könnte eine Evaluierung dieses Engagements angesichts der veränderten Risikosituation und einen Wechsel zu europäischen Anbietern anregen… zur Not im Format “Aukus”.

Und nicht genug: die sozialen Medien sind das neue Schlachtfeld gegen die Demokratie. Die US “Tech Bros” haben Ihren Kotau bei der Vereidigung des amerikanischen Präsidenten gemacht. Seitdem sind Posts mit Keywords wie “Demokratie” nicht mehr möglich und die Einflussnahme auf Wahlen in Europa zu eigenen Gunsten wird salonfähig. Die EU ist nicht gewillt, dem Treiben Einhalt zu gebieten und beschränkt sich auf Bagatellstrafen. Es ginge auch anders: Interoperabilität würde bedeuten, dass ich die Facebook-Posts meiner Eltern und die Instagram-Posts meiner Freunde in einem privaten Feed erhalte. Die EU könnte den Digital Service Act anwenden und eine solche Interoperabilität vorschreiben. Damit wären die “Walled gardens” von Sozialen Medien Geschichte - angesichts der Verbannung von Smartphones aus Schulen sicherlich ein richtiger Schritt und Chance Europäische Alternativen aufzubauen.

Auch in Sachen Daten könnte die EU eine andere Linie fahren. Donald Trump hat angeordnet, alle Executive Orders zur nationalen Sicherheit von Joe Biden zu überprüfen und gegebenenfalls zu annullieren. Darunter fällt auch das US-EU Abkommen zum Datentransfer. Dieses Abkommen wurde mit heißer Nadel nach dem Schrems II Urteil gestrickt, um sicherzustellen, dass europäische Unternehmen und Regierungen weiterhin US Cloud Anbieter verwenden können. Angesichts der rechtlichen Ungewissheit und einem Fragezeichen hinter der Verlässlichkeit der US Regierung rufen Experten bereits dazu auf, Risiken zu reduzieren und zu europäischen Anbietern zu wechseln. Es fehlt der offizielle Appell der Europäischen Kommission.

Die USA - wirtschaftlicher Trittbrettfahrer?

Die Abkehr der USA von der internationalen Führungsrolle ist auch eine Chance für Europa, die entstehende Lücke zu füllen und den wirtschaftlichen Einflussbereich auszubauen. Die regelbasierte internationale Ordnung hat uns Jahrzehnte von Wirtschaftswachstum beschert. Wir sollten nicht unterschätzen, dass die Weltwirtschaft Zuverlässigkeit und Rechtssicherheit wertschätzt. Die Kernkompetenz von Europa ist die Regulierung für Stabilität. Es ist essentiell, in militärische Abschreckung zu investieren - eine Antwort auf Strafzölle sollte aber auch eine Initiative zur Erweiterung des europäischen Wirtschaftsraums beinhalten.

Zu guter letzt und als flankierende Maßnahme könnte die EU eine Debatte zur Schaffung eines Korbes verschiedener Reservewährung anstoßen um die Abhängigkeit vom US Dollar als einzige Reservewährung zu reduzieren - ein wichtiger Schritt angesichts eines fallenden Dollarkurses, der Wahrscheinlichkeit einer Rezession sowie dem Risiko eines “Shutdowns” der US Regierung. Die EU könnte sogar das Argument Donald Trumps verwenden, dass die USA sich nicht von der Weltwirtschaft verabschieden und weiter Trittbrett fahren könnten, indem der Dollar die einzige globale Reservewährung bleibt. Eine gemeinsame Initiative mit China, um Risiken vom Dollar in Euro und RMB umschichten würde sicherlich weltweit mit Wohlwollen aufgenommen.

In wirtschaftlicher Hinsicht muss sich die Europäische Union nicht verstecken. Angesichts des Risikos, dass Mitgliedstaaten in 27 verschiedene Richtungen intervenieren, ist es umso wichtiger, dass die Europäische Kommission zumindest ihrer koordinierenden Rolle gerecht wird - anstatt nur mit am Tisch zu sitzen, wenn Staatschefs die Zukunft Europas diskutieren. Hierfür muss die EU Handlungsfähigkeit demonstrieren und einen Plan für die kommenden Jahre vorlegen. Einfach den USA nacheifern, besonders wenn Amerika einen globalen “Brexit-XXL” hinlegen möchte, kann nicht die Antwort sein. Die EU muss eine Vision für eine Europäische Union in einer multipolaren Welt liefern. Eine Vision, die nicht nur Länder jenseits Europa’s Grenzen anspricht, sondern auch ein gewichtiger Grund für EU Mitgliedsstaaten ist, die längst überfälligen Reformen der europäischen Verträge anzugehen