Trouble in France

Screenshot Mr. Freedom (Photo: https://tortillapolis.com/)
Geschichte wiederholt sich nicht? "Trouble in France" aus dem Film "Mr Freedom" von 1969 (Photo: Tortillapolis.com/)

LinkedIn blog post, 10/09/2025, von Sven Franck (en français, in english)

TL;DR – Nach dem Budget-Harakiri von Premierminister Bayrou ernannte Präsident Macron schnell Sébastien Lecornu zum neuen Premierminister. Frage ist, wie viele Asse Macron noch im Ärmel hat, da der Versuch, einen ähnlichen Haushalt durchzubringen, wohl innerhalb weniger Monate dasselbe Schicksal für den neuen Premierminister bedeuten dürfte.

Alles oder nichts

Das Leben in der französischen Politik ist hart ohne die "prime majoritaire", die erstmals von einem gewissen Benito Mussolini (man denke nur) eingeführt wurde, um seine politische Agenda durchzudrücken. Sie existiert in Frankreich bis heute: Auf kommunaler Ebene, wo der Wahlsieger einen Bonus von 50 % der Sitze erhält und auf regionaler Ebene, wo es immer noch 25 % sind. Auf nationaler Ebene waren die Parlamentswahlen früher "mid-term", folgen aber nun den Präsidentschaftswahlen, um dem Präsidenten bzw. der Präsidentin das Momentum zu geben, eine absolute Mehrheit zum Regieren aufzubauen.

Bis jetzt. Denn seit den vorgezogenen Neuwahlen 2024, die Präsident Macron in Theresa-May-Manier mit Theresa-May-ähnlichen Ergebnissen ausrief, steckt Frankreich mit drei gleichstarken Blöcken fest, die jeweils allein regieren wollen – die Linke, die Mitte und die extreme Rechte. Und da die Verschleißrate der Premierminister wohl nicht nachlassen wird, können wir nur feststellen, dass das seit 1958 bestehende politische System Frankreichs wohl endlich sein Haltbarkeitsdatum überschritten hat.

Neue Lösungen? Fehlanzeige. Im Geiste ihres Schöpfers will die extreme Rechte auch auf nationaler Ebene eine "prime majoritaire" einführen, wenn auf Verhältniswahlen umgestellt wird. Der Sieger bekommt alles. 20 % der Stimmen bringen halt 70 % der Sitze. Alle anderen bitte Klappe halten.

Die Mitte zu halten ist schwer

Frankreich ist nicht allein. In ganz Europa sind im letzten Jahrzehnt Parteien am äußersten rechten wie auch linken Rand erstarkt. Beide spielen nur allzu gern mit den Ängsten und Frustrationen der Bürger. Ihr Aufstieg ist oft die Konsequenz schlechter Politik, die keine Antworten auf berechtigte Anliegen von Bürgern bietet sowie die Verwandlung von politischen Systemen in Oligopole, die jedwege Erneuerung verhindern – Frankreich ist hier europaweit führend.

Die Lösung scheint einfach: programmatische und politische Erneuerung und das Halten der Mitte. Könnte man meinen. Stattdessen erliegen nicht nur in Frankreich gemäßigte Parteien den sirenenhaften, zentrifugalen Stimmen der Extreme. Sie kopieren Populisten, übernehmen deren Positionen und beschallen ihre Narrative in den politischen Mainstream.

Das unmittelbare Ergebnis: Wie heute in Frankreich ist das Terrain für Kompromisse über politische Lager hinweg verschwunden. In einem Parlament ohne klare, vom Volk gewählte Mehrheit, erklären die weit auseinanderliegende Positionen die derzeitige Blockade in der französischen Politik. Den Geist zurück in die Flasche zu bekommen heißt, die politische Mitte zurückzuerobern und zu lernen, wie man Kompromisse macht. Und zwar schnell, denn irgendwann gehen Frankreich entweder die Zeit oder die Premierminister aus.

Titel inspiriert von Guts: „Trouble in France“