Wo ist die Europäische Sicherheitsstrategie?
TL;DR - Die vergangene Woche war eine Offenbarung für Transatlantiker: mit der Veröffentlichung der US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsstrategie und Elon Musk, der nach einer 140M€ Strafe wegen Verstößen gegen den Digital Services Act zur Auflösung der EU aufruft. Europas Antwort: Wir sind BFF! Waren es immer. Werden es immer sein. Wirklich?
EUphorie!
Glücklicherweise sah das nicht jeder so – und es war schön, durch ein in EU-Flaggen 🇪🇺 verfärbtes X zu scrollen – Selbst Manfred Weber war dabei - als hätte die EVP nicht gerade gemeinsam mit antidemokratischen und pro-US-Kräften dafür gestimmt, einen großen Teil dessen, was Europa europäisch macht, zu revidieren. Man muss wohl mit dem Strom schwimmen. Aber wir können sicher sein: Sobald die EUphorie vorbei ist, wird die EVP mit dem digitalen Omnibus der EU einen weiteren regulatorische Zahn ziehen – ganz im Einklang mit den Forderungen der US-Tech-Industrie, die genau jene Schutzmechanismen loswerden will, auf deren Grundlage Elon Musk überhaupt erst bestraft werden konnte – mehr von Alberto Alemanno dazu.
Ich bin tatsächlich gespannt, ob die Kommission am Omnibus festhält. Schließlich hat die USA unmissverständlich klargemacht, dass Europa – ähnlich wie Venezuela - ein Kontinent ist, der eines Regimewechsels bedarf. Und sorry: Die Konservativen sind noch nicht weit genug nach rechts gerückt, um die Meßlatte nicht zu reißen - besonders nicht auf europäischer Ebene, die die USA am liebsten komplett im den Eimer treten würde. "Teile und herrsche" lautet die Devise, und in fast jedem Mitgliedsstaat steht eine rechtsextreme Partei als Steigbügelhalter bereit, unsere europäische Einheit für einen kurzen Moment nationalen Rampenlichts zu opfern.
Noch mehr Worte ohne Taten?
Die nationalen Staats- und Regierungschefs stehen damit vor einem Dilemma: Sie müssen Macht abgeben. Entweder an eine Europäische Union, die in der Lage ist, unsere Werte, unsere Freiheit und unsere liberale Demokratie zu verteidigen. Oder an diejenigen, die von den USA unterstützt werden. AfD und Rassemblement National führen in Umfragen in Deutschland und Frankreich deutlich und dennoch gelingt es den größten EU-Mitgliedstaaten nicht, sich klar zur Weiterentwicklung der EU zu bekennen. Wie viel Fahnenschwenken braucht es noch, um uns wenigstens einen Schritt weiter in eine europäische Richtung zu führen?
Ja, Vertragsänderungen brauchen Zeit. Aber wie wäre es wenigstens mit einer Europäischen Sicherheitsstrategie? So schwer kann es doch nicht sein, 33 Seiten zu schreiben wie die USA, zumal ständig eine stärkeres Europe beschworen wird. Die EU-Globalstrategie wurde seit 2016 nicht mehr aktualisiert 😬, und die USA haben den Strategischen Kompass von 2022 gerade magnetisiert. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Selbst wenn es am Ende nur symbolisch wäre: Wenn sich die EU-Mitgliedstaaten zu einer gemeinsamen und aktualisierten Europäischen Sicherheitsstrategie verpflichten, wäre das ein starkes Signal - dass unsere Führung bereit ist, das europäische Projekt tatsächlich voranzubringen. Oder dass die Bürgerinnen und Bürger bei künftigen Wahlen nach Alternativen suchen. Wir müssen die EU jumpstarten – so oder so.